Von Ende und Neuanfang
Crespel & Deiters im 2. Weltkrieg …

Es heißt, das erste Opfer eines Krieges ist die Wahrheit. So fängt der 2. Weltkrieg schon mit einer Lüge an. Nachdem Polen angeblich deutsche Grenzlinien verletzt haben soll, marschieren deutsche Truppen 1939 ins östliche Nachbarland ein und beginnen damit den bisher größten militärischen Konflikt in der Geschichte der Menschheit. Unvorstellbare Grausamkeiten sollen die Welt in den nächsten sechs Jahren an den Rand des Abgrunds bringen.

Der Krieg beginnt im Morgengrauen

60 Staaten sind in den 2. Weltkrieg involviert. Über 100 Millionen Menschen stehen unter Waffen.

60 Staaten sind in den 2. Weltkrieg involviert. Über 100 Millionen Menschen stehen unter Waffen.

Es ist der 1. September 1939. Während die meisten Bürger im westfälischen Städtchen Ibbenbüren noch in ihren Betten liegen, überfällt die deutsche Wehrmacht im Morgengrauen Polen. Auch an der Groner Allee in der Crespel & Deiters Stärkefabrik stehen die Maschinen noch still. Wenig später kommen die ersten zur Arbeit. Es ist ein ganz normaler Tag. Es wird gearbeitet, geredet, gelacht. Erst später erfahren die Menschen im Radio, was an diesem Morgen geschehen ist. Viele sind besorgt, erinnern sich nur zu gut an die Schrecken des 1. Weltkrieges und seine schlimmen Auswirkungen. Doch die Ereignisse nehmen ihren Lauf. Deutschland und bald die halbe Welt befinden sich im Krieg.

Die Rohstoffe werden knapp

Die staatliche Lenkung von Produktion, Vertrieb und Preis landwirtschaftlicher Erzeugnisse sowie die Importsperre ausländischen Weizens ab 1933 schaffen nach einem kurzen Absatzhoch bald Rohstoffknappheit.

Die staatliche Lenkung von Produktion, Vertrieb und Preis landwirtschaftlicher Erzeugnisse sowie die Importsperre ausländischen Weizens ab 1933 schaffen nach einem kurzen Absatzhoch bald Rohstoffknappheit.

Nach den ersten Blitzkriegen und den damit verbundenen deutschen Siegen, denen Polen, Dänemark, Norwegen, die Benelux-Staaten und Frankreich zum Opfer fallen, wird das deutsche Heer in Großbritannien von britischen Truppen 1941 zurückgedrängt. Auch der Russlandfeldzug wird zum Desaster. Mittlerweile machen sich in Deutschland die ökonomischen Fehlplanungen der Regierung bemerkbar. Bereits seit der Machtergreifung 1933 propagiert das NS-Regime einen nationalen Protektionismus. Die Deutschen werden aufgefordert, nur noch deutsche Waren zu kaufen. Ausländische Anbieter werden im Binnenmarkt benachteiligt und verdrängt. Ihrer mythisch angehauchten „Blut-und-Boden“-Ideologie legen die Nazis eine Verbäuerlichung der Gesellschaft zugrunde. Innerhalb der angestrebten Re-Agrarisierung Deutschlands sollen Angebot, Nachfrage und Preise der landwirtschaftlichen Erzeugnisse reguliert sein. Die Verbrauchslenkung, ein Absurdum in sich, geht nicht auf. Ganz im Gegenteil gehen die landwirtschaftlichen Erträge bereits vor dem Krieg um 15 Prozent zurück.

Produkte gegen die „Fettlücke“

Für Crespel & Deiters bedeutet die nationalsozialistische Planwirtschaft einen immer größer werdenden Mangel an dem nötigen Rohstoff Weizen. Mit Ausbruch des Krieges, der Importsperre ausländischer Grundnahrungsmittel und der Rationierung von Nahrungsmitteln stehen dem Unternehmen noch weniger Rohstoffe zur Verfügung. Allerdings profitiert Crespel & Deiters kurzfristig von einer Verschiebung im Stärkemarkt.

Während die Reisstärkeindustrie, die von nun fehlenden ausländischen Importen abhängig ist, einbricht, erlebt die heimische Weizenstärkeindustrie einen Aufschwung. Da Fleisch und Fett in den Kriegsjahren Mangelware sind, versucht das Reichsministerium für Ernährung und Landwirtschaft die fehlenden Nährstoffe durch Getreide und Brot zu ersetzen. Vor allem die wertvolle und nährreiche Weizenstärke hilft, die „Fettlücke“ zu schließen.

Wieder einmal passt Crespel & Deiters seine Produktpalette an die aktuellen Anforderungen des Marktes an und hilft mit nährstoffreichen Weizenstärkeprodukten, die Ernährung der deutschen Bevölkerung aufrechtzuerhalten. Unter dem Namen WEIZOMALT vertreibt Crespel & Deiters jetzt Nahrungsmittel wie Kaffeesurrogate, Gewürze und Saucen. Auch dringend benötigte Futtermittel für Nutztiere werden hergestellt.

Überleben in schweren Zeiten

 Im Crespel & Deiters Spitzbunker in Ibbenbüren finden viele Menschen während des Krieges Schutz.

Im Crespel & Deiters Spitzbunker in Ibbenbüren finden viele Menschen während des Krieges Schutz.

Der Weizenstärkespezialist in Ibbenbüren ist auch während des Krieges ein wichtiger Arbeitgeber in der Region. Anders als andere Unternehmen beschäftigt Crespel & Deiters keine Zwangsarbeiter, sondern gibt den daheimgeblieben Frauen und den wehruntauglichen Männern Arbeit auf dem Gut sowie in Produktion und Büro.

Die Geschäfte laufen trotz der widrigen Umstände recht gut. Die Korrespondenz eines Kunden, der Crespel & Deiters 1942 mit den Worten „Dürfen wir heute um Zuteilung bitten? Wir sind sehr verlegen um Ware.“ wiederholt um Weizenstärkelieferungen ersucht, lässt allerdings erahnen, wie mühsam das Tagesgeschäft zu dieser Zeit gewesen sein muss.

Die Briten kommen

Sechs Jahre lang versinkt der halbe Globus in Chaos und Grausamkeiten. Am 8. Mai 1945 atmet die Welt auf: Der Krieg ist vorbei, die Nazis besiegt.

Sechs Jahre lang versinkt der halbe Globus in Chaos und Grausamkeiten. Am 8. Mai 1945 atmet die Welt auf: Der Krieg ist vorbei, die Nazis besiegt.

Wie immer in seiner langen bewegten Unternehmensgeschichte besinnt sich Crespel & Deiters auf seine Stärken. Das Wissen um den Rohstoff Weizen und seine Verarbeitung, der starke Zusammenhalt von Familie und Mitarbeitern und unternehmerischer Ideenreichtum bringen Crespel & Deiters auch durch die Wirren des 2. Weltkriegs.

Am 8. Mai 1945 hat der Spuk ein Ende. Deutschland kapituliert und der Krieg ist aus. Er hinterlässt über 60 Millionen Tote. Das Grauen von Holocaust und Porjamos. Zerstörte Städte und Menschen. Ibbenbüren wird Teil der britischen Besatzungszone.

Wiederaufbau und Währungsreform

Jeder Bürger startet 1948 einheitlich mit 40 DM Bargeld in den Wiederaufbau.

Jeder Bürger startet 1948 einheitlich mit 40 DM Bargeld in den Wiederaufbau.

Der Wiederaufbau der Stärkeproduktion nach dem Krieg gestaltet sich schwierig. Durch den Wegfall des ostdeutschen Weizens, der sich nun in russischer Alliierten-Hand befindet, und der ausländischen Weizenimporte, fehlen Crespel & Deiters die Rohstoffe.

Erst mit der Währungsreform 1948 ändert sich die Lage. Die Einführung der D-Mark ermöglicht erstmals seit Jahren wieder einen weitgehend normalen wirtschaftlichen Handel.

Neues Geld und neue Chancen

Abfüllung von Drei-Hasen-Weizenpuder, 1958

Abfüllung von Drei-Hasen-Weizenpuder, 1958

Doch erst einmal hat Crespel & Deiters mit den Auswirkungen des neuen Währungssystems zu kämpfen. Denn mit der Entwertung sind alle liquiden Mittel vernichtet. Um die nach dem Krieg mühsam wieder in Gang gebrachten Geschäfte weiter am Laufen zu halten, muss sich das Unternehmen, wie viele andere auch, auf Wechselbasis finanzieren. Dementsprechend ist zu dieser Zeit jeder bei jedem verschuldet.

Zum Glück beginnt knapp ein Jahr später mit der Gründung der Bundesrepublik Deutschland das Wirtschaftswunder in den drei Westzonen. Crespel & Deiters wird sich in den kommenden Jahren nicht nur zum führenden Spezialisten für weizenbasierte Produkte in Europa entwickeln, sondern auch mit Markenprodukten wie Weizenin, Pudinga und Drei Hasen Weizenpuder ein Stück deutsche Wirtschaftswunder-Geschichte schreiben.