Mut zum Wandel
Crespel & Deiters im Weltgeschehen …

Schuhproduktion bei Salamander um 1910

Schuhproduktion bei Salamander um 1910

Anfang des 20. Jahrhunderts legten die Menschen noch viel Wert auf die Qualität ihrer Kleidung. Das lag vor allem auch daran, dass Dinge nicht so schnell weggeworfen oder ausgetauscht wurden wie heute. Damals trug man seine Schuhe, Kleider, Hemden und Hosen eine lange Zeit. Salamander war um 1910 eine gefragte deutsche Qualitätsmarke. Hergestellt wurden die Schuhe mit dem possierlichen Amphibien-Logo in der modernen Schuhfabrikation in Kornwestheim. Geklebt wurden sie mit Schusterleim von Crespel & Deiters.

Die Geschichte, wie Crespel & Deiters auf den Schuh kommt, nimmt bereits 1865 ihren Lauf. Aufgrund der wirtschaftlichen Auswirkungen des Rohstoffhandels – Zölle hatten den Weizenpreis teilweise in schwindelerregende Höhen getrieben –­ hat Crespel & Deiters bis dahin Stärke sowohl aus Weizen als auch aus Kartoffeln gewonnen. Doch nicht nur das Herz von Joseph Deiters schlägt mehr für das goldene Korn. Auch die Nutzbarkeit der aus Weizen gewonnenen Stärke ist deutlich vielfältiger. Die Entscheidung fällt zugunsten des Weizens: 1865 stellt Crespel & Deiters seine Stärkeproduktion, gänzlich gegen den allgemeinen Trend hin zur Kartoffel, komplett auf Weizenstärke um.

Neue Märkte erschließen

Textilkunde von Crespel & Deiters: Elberfelder Textilfabrikl Friedr. Seyd & Söhne

Textilkunde von Crespel & Deiters: Elberfelder Textilfabrikl Friedr. Seyd & Söhne

1858 war ein bewegtes Jahr. In Paris wird ein Attentat auf Kaiser Napoleon III. verübt. Wilhelm I. kommt in Preußen an die Macht. Der Dampfer „Bremen“ startet den regelmäßigen Schiffsverkehr zwischen Bremerhaven und New York. Jaques Offenbachs „Orpheus in der Unterwelt“ wird in Frankreich uraufgeführt. Und in Ibbenbüren, einem beschaulichen Städtchen am Nordwestende des Teutoburger Walds schickt sich Alexander Crespel an, Unternehmensgeschichte zu schreiben.

Alexander Crespel ist der Sohn eines Hofrats und stammt ursprünglich aus Frankfurt. Ehrgeizig und mit viel Unternehmergeist im Blut, macht er schon früh Karriere. Um 1820 verlässt er Frankfurt und wird hauptverantwortlicher Hüttendirektor der Gravenhorster Eisenhütte. 600 Reichstaler beträgt sein ansehnliches Jahressalär.

Schuhschäfte und -hinterklappeneinkleben mit Crespel & Deiters Schusterleim

Schuhschäfte und -hinterklappeneinkleben mit Crespel & Deiters Schusterleim

Der Schusterleim war eigentlich anfänglich ein Nischenprodukt, wurde aber durch seine hohe Qualität zu einem gefragten Artikel. Produziert wurde er aus dem bei der Weizenstärkeproduktion anfallenden Gluten. Für die Ende des 19. Jahrhunderts aufstrebende Schuhindustrie verarbeitet Crespel & Deiters den Gluten zu Wiener Leim oder wie ihn die Arbeiter nannten: Schusterpapp. Mit dem Leim diversifiziert das Unternehmen auch erstmals seine Produkte. Neben der Weizenstärke besitzt Crespel & Deiters durch den Leim nun auch ein weiteres strategisches Produkt mit einer relativ hohen Wertschöpfung, das nicht nur in den Zentren der deutschen Schuhindustrie, sondern auch in der Schweiz und in Russland stark nachgefragt wird.

Überleben im Krieg

1914 beginnen schwere Jahre für Deutschland. Wird der Ausbruch des 1. Weltkriegs anfänglich noch mit patriotischer Freude begrüßt, zeigt sich während der Dauer des Krieges bald das ganze Ausmaß einer nicht auf den Ernstfall vorbereiteten deutschen Politik. Die Nahrungsmittelversorgung des Landes bricht zusammen.

Ein dramatischer Produktionseinbruch der deutschen Betriebe leitet eine Spar- und Notwirtschaft ein. Auch Crespel & Deiters ist betroffen. Der kriegsbedingte totale Mangel an Weizenmehl und der Fronteinsatz der Eigentümer bedingen eine lange Betriebsunterbrechung.

Währenddessen lässt das Unternehmen die daheimgebliebenen Angehörigen seiner im Fronteinsatz befindlichen Mitarbeiter nicht im Stich. Obwohl die Produktion eingestellt ist, unterstützt Crespel & Deiters die Familien der Belegschaft und hilft vielen damit aus der Not.

Schon früh begann im Ersten Weltkrieg die Zwangsbewirtschaftung. Ein freier Warenverkehr mit Brotgetreide war im Mai 1915 schon nicht mehr möglich.

Schon früh begann im Ersten Weltkrieg die Zwangsbewirtschaftung. Ein freier Warenverkehr mit Brotgetreide war im Mai 1915 schon nicht mehr möglich.

Hugo und Gustav Deiters in Militäruniform

Hugo und Gustav Deiters in Militäruniform

Auszug aus dem Crespel & Deiters Kassenbuch 1916 mit den Auszahlungen an die Angehörigen der Soldaten.

Auszug aus dem Crespel & Deiters Kassenbuch 1916 mit den Auszahlungen an die Angehörigen der Soldaten.

Doch Crespel & Deiters lässt sich nicht unterkriegen. Unternehmerische Alternativen werden gesucht. Um die Werksanlagen zu nutzen und die heimkehrenden Soldaten nach Kriegsende wieder in Arbeit und Brot zu bringen, werden verschiedenste Ausweichprodukte hergestellt. Dazu wird 1919 die Webwarengroßhandlung Deiters & Co. gegründet. Da es zur Produktion keine Rohstoffe gibt, konzentriert sich das Unternehmen zu dieser Zeit auf den Handel mit Kleiderstoffen, Druckwaren, Leinen- und Dekorationsstoffen. Auch nachdem 1924 die Weizenstärkefabrikation wieder aufgenommen wird, existiert und arbeitet die Webwarengroßhandlung Deiters & Co. noch erfolgreich bis ins Jahr 1967.

Alles auf Null

Mit Einführung der Rentenmark 1923 wird aus 1.000.000.000.000 Mark nur noch 1 Rentenmark.

Mit Einführung der Rentenmark 1923 wird aus 1.000.000.000.000 Mark nur noch 1 Rentenmark.

1918 endet der 1. Weltkrieg. Insgesamt über 8 Millionen Tote und mehr als 21 Millionen Verwundete sind der tragische Preis der kriegerischen Auseinandersetzungen. Auch in Ibbenbüren kehren viele Mitarbeiter von Crespel & Deiters nicht mehr zurück nach Hause. Deutschland muss etwa 14 Prozent seiner Fläche abtreten und wird zu Reparationszahlungen verpflichtet. Davon erholt sich die Wirtschaft nicht. War die Mark schon während des Krieges nicht mehr viel Wert, folgt jetzt ihre komplette Entwertung. Mit Einführung der Rentenmark 1923 wird aus 1.000.000.000.000 Mark nur noch 1 Rentenmark. Auch Crespel & Deiters hat zu kämpfen, erholt sich aber mit Wiederaufnahme der Weizenstärkeproduktion 1924 langsam aber stetig.

Der Erfolg ist mit den Mutigen

„Wer sich den Veränderungen seiner Zeit stellt und ihnen mit Mut und Weitblick begegnet, wird sein Unternehmen und seine Mitarbeiter sicher durch alle Stürme des Lebens führen.“ Dieses Credo der Gründer von Crespel & Deiters gilt noch heute. Von Generation zu Generation werden die Zeichen der Zeit erkannt und visionär umgesetzt. Übrigens sind von den 44 Stärkefabriken, die es Anfang des 20. Jahrhunderts in Deutschland gab nur noch zwei übriggeblieben, die durch Ihren Unternehmergeist und ihren Mut zum Wandel bis heute bestehen. Eine davon ist Crespel & Deiters.